31.10.2022 – Karlheinz Bernhardt absolviert Ausbildung mit 59 Jahren

Nidda – Dass auch sehr erfahrene Feuerwehrleute noch dazu lernen können, beweist Karlheinz Bernhardt aus Wallernhausen. Kurz vor seinem 60. Geburtstag drückte er die Schulbank.

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Stadtbrandinspektor Benjamin Balser überreicht Karlheinz Bernhardt die Urkunde zum bestandenen Grundlehrgang.
Wehrführer Martin Bernhardt gratuliert. © Oliver Potengowski

Eigentlich ist der Grundlehrgang, den Karlheinz Bernhardt aus Wallernhausen vor seinem 60. Geburtstag gemacht hat, Voraussetzung, damit Feuerwehrleute bei Einsätzen mehr als nur Hilfstätigkeiten übernehmen dürfen. Doch als Bernhardt 1981 in die Einsatzabteilung der Wallernhäuser Feuerwehr aufgenommen wurde, fragte niemand danach. Schließlich brachte er schon fünf Jahre Erfahrung in der Jugendfeuerwehr mit. Als einziger der Gründungsmitglieder der Nachwuchsabteilung ist er heute noch in der Feuerwehr aktiv. »Damals war es wichtig, dass man regelmäßig zu Übungen kommt«, beschreibt Bernhardt die Prioritäten.

Karrieresprünge waren nicht möglich
Schnell hatte er seinen festen Platz unter den fünf Kameraden, die mit ihm eine Staffel bildeten. »Ich habe in meinem ganzen Leben immer nur als Staffel funktioniert«, erinnert er sich. Bernhardt war der Kamerad, auf den sich die Feuerwehr auch in schweren Zeiten verlassen konnte. Aber »Karrieresprünge waren nicht möglich, weil man für alles diesen Grundlehrgang gebraucht hätte.«

Mit seinem 60. Geburtstag hätte sich Bernhardt eigentlich aus der Einsatzabteilung verabschieden müssen. Und das zu einer Zeit, als die Kameraden ihn dringender denn je gebraucht hatten. Denn gerade erst hat die Wallernhäuser Wehr ein neues Einsatzfahrzeug übernommen. Weil dieses eine viel umfangreichere Ausrüstung und einen 900 Liter-Wassertank hat, ist es deutlich schwerer, als das alte Mercedes 310-TSF. Mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen dürfen nur Feuerwehrleute mit einem Lkw-Führerschein oder dem alten Führerschein Klasse 3 das neue Fahrzeug fahren.

Feuerwehrleute können vor ihrem 60. Geburtstag beantragen, noch weitere fünf Jahre in der Einsatzabteilung zu bleiben. Neben einem Gesundheitszeugnis ist für eine Genehmigung durch den Magistrat jedoch auch ein erfolgreicher Grundlehrgang Voraussetzung.
»Ich habe mich gefragt, ob ich ohne Feuerwehr sein kann oder nicht«, schildert Bernhardt die Entscheidung, ob er den Lehrgang machen und verlängern soll oder nicht. Wer weiß, dass auch seine Tochter in der Feuerwehr aktiv und sein Sohn Martin Wehrführer ist, kennt die Antwort. Er habe sich mit seiner Frau beraten. »Die hat gesagt, ›ich glaube, Du kannst gar nicht ohne’.« Schließlich hatte sein Sohn noch angekündigt, einen Zugführerlehrgang auf der Feuerwehrschule in Kassel belegen zu wollen. »Das war für mich auch eine Motivation.«

Online-Kurs eine Herausforderung
Gemeinsam mit fünf Mädchen und vier Jungen, von denen die meisten 17 oder 18 Jahre alt waren, begann Bernhardt den Lehrgang. »Dieser Kurs war ein Online-Kurs, das war auch noch einmal eine andere Herausforderung, als in Präsenz«, berichtet er.
Allerdings hatte das den Vorteil, dass er sonntags vor dem Frühstück zwei Stunden Lehrgang einschieben konnte. Nach Feierabend wäre dem selbstständigen Handwerker der Unterricht deutlich schwerer gefallen. Trotzdem blieben Zweifel nicht aus. »Als wir diese Knoten und Stiche gemacht haben, habe ich mich schon gefragt, ›bin ich hier richtig?’« Die Jüngeren und insbesondere die Mädchen hätten deutlich mehr Fingerfertigkeit gezeigt.

Spätestens nachdem er die Urkunde für den erfolgreich bestandenen Grundlehrgang bekommen hat, gibt es diese Zweifel nicht mehr. »Ich kann das neuen Feuerwehrleuten nur empfehlen. Da lernen sie die Zusammenhänge und die Vernetzung, wie die Arbeit funktioniert«, stellt er fest. »Das ist das, was mir zum Schluss gefehlt hat. Auch die vorschriftsmäßigen Knoten hätten dabei ihren Sinn und ihre Bedeutung. »Ich habe 40 Jahre immer hinten gestanden, jetzt stehe ich mit vorne«, freut er sich, dass er jetzt mehr Verantwortung übernehmen darf.

»Das ist ein Vorbild für die anderen«, lobt Martin Bernhardt die Bereitschaft seines Vaters, mit fast 60 Jahren endlich den Grundlehrgang zu machen. »Wir würden sechs Leute verlieren, wenn ich den Lehrgang nicht gemacht hätte«, ergänzt dieser, dass auch andere der älteren Feuerwehrleute, die noch den alten Führerschein haben, den Grundlehrgang machen möchten.

Stadtbrandinspektor Benjamin Balser erklärt, dass zwar in den vergangenen Jahren einige lang gediente Feuerwehrleute sich zu dem Grundlehrgang entschlossen hätten. Doch bisher habe keiner so kurz vor dem Abschied aus dem aktiven Dienst gestanden wie Karlheinz Bernhardt. Der hat offenbar an dem Unterricht Gefallen gefunden. Gemeinsam mit seiner Tochter möchte er im Frühjahr noch einen Funklehrgang machen.

Quelle: Kreis-Anzeiger online vom 31.10.2022